Kosten im Abgasskandal
Oder: wenn der Rechtsschutzversicherer Geld sparen will.
Haben Sie ein Auto, das vom Abgasskandal betroffen ist und haben Sie eine Rechtsschutzversicherung? Dann haben Sie mit Sicherheit auch schon Post von Ihrer Versicherung bekommen, dass diese Ihnen die Kosten bezahlt und sich „freut, Ihnen helfen zu können“.
Nicht so die ÖRAG Rechtsschutz, welche der Rechtsschutzversicherer der Versicherungskammer Bayern ist. Wir erleben nicht selten, dass entsetzte Mandanten uns fragen, ob wir – wie vom Versicherer propagiert – nur Geld schinden wollen. So schreibt die ÖRAG bspw. an einen unserer Mandanten:
Sehr geehrte Damen und Herren,
anliegendes Schreiben erhalten Sie mit der Bitte um Kenntnisnahme.
Wir haben in der Vergangenheit viele Gespräche mit Versicherungsnehmern geführt, welche ihr Fahrzeug grundsätzlich behalten und Schadensersatz vom Hersteller erhalten wollten. Sie wurden von Ihren Rechtsanwälten nicht aufgeklärt, dass gegebenenfalls auch eine reine Schadensersatzklage möglich ist, welche die Rückgabe des Fahrzeugs nicht erfordert. Für Rechtsanwälte bedeutet eine Klage auf Rückabwicklung zumeist einen deutlichen Gebührenvorteil, da die Streitwerte wesentlich höher sind. Auch in Ihrem Fall wird die Rückabwicklung angestrebt. Sollte dies in Ihrem Sinne sein, müssen Sie nichts weiter veranlassen. Wenn Sie Ihr Fahrzeug jedoch behalten wollen, sollten Sie Ihren Rechtsanwalt kontaktieren und mit ihm die Möglichkeiten einer Klage auf reinen Schadensersatz ohne Rückgabe des Fahrzeuges erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Frage mag man sich vermutlich stellen, wenn man so ein Schreiben von seinem Rechtsschutzversicherer liest. Zu aller erst: Ja, der Anwalt verdient (in aller Regel) mehr, wenn er die Rückgabe des Fahrzeuges beantragt. Also geht es dem Anwalt nur um Geld und gar nicht um meine Rechte? Nein, natürlich nicht! Wir klären unsere Mandanten immer über alle Möglichkeiten auf. Das Ergebnis ist, dass dennoch mehr als 95% unserer Mandanten auf Rückgabe klagen wollen.
Ganz einfach: Wenn der Anwalt mehr verdient, muss der Rechtsschutzversicherer mehr zahlen! Dann ist das Geschäft mit den Rechtsschutzversicherungen womöglich nicht mehr so profitabel. Die ÖRAG möge uns gerne kontaktieren und uns die Vorteile eines solchen Vorgehens erklären – abgesehen vom Einsparpotenzial. Nachfolgend möchten wir einige Nachteile aufzeigen, wenn man „nur“ den Schadensersatz – wie von der ÖRAG vorgeschlagen – einklagt.
Bei einer Klage auf den (kleinen) Schadensersatz schneiden Sie sich die Möglichkeit ab, den Schaden richtig zu beziffern und sich sinnvoll mit dem Autohersteller zu vergleichen.
Nehmen wir folgendes Beispiel: Sie beanspruchen – wie von der ÖRAG vorgeschlagen – den kleinen Schadensersatz. Dann müssen Sie Ihr manipuliertes Auto behalten und können den Schaden vom Autohersteller ersetzt verlangen, um den der „Kaufgegenstand – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben“ wurde (zum kleinen Schadensersatz BGH Urteil vom 06.07.2021, Az.: VI ZR 40/20).
Genau! Und wer noch nicht weiß, wie hoch dieser Schaden dann ist, der kann sich ja der einfachen Formel bedienen:
Als Vermögensschaden im Rahmen von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung sei grundsätzlich der Differenzschaden in Form des negativen Interesses zu ersetzen. Der Geschädigte könne Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen, wahlweise aber auch den Vertrag bestehen lassen und Ersatz des durch die unerlaubte Handlung bedingten Mehraufwands verlangen. Das geschehe bei einem Kaufvertrag in der Weise, dass der Geschädigte so behandelt werde, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Diese für Fälle der (quasi-)vertraglichen Haftung entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auch für Dritte gelte, die nicht Vertragspartner seien, sei auf die deliktische Haftung übertragbar. Es gehe hier nicht um das Erfüllungsinteresse wie etwa bei Schadensersatz in Höhe der (fiktiven) Mangelbeseitigungskosten, sondern um den Teil des Kaufpreises, um den der Geschädigte das Fahrzeug in Unkenntnis des Mangels zu teuer erworben habe (vgl. BGH Urteil vom 06.07.2021, Az.: VI ZR 40/20).
Danke, das ist auch die Beantwortung der Frage.
Wie bereits eingangs erwähnt, klären wir natürlich unsere Mandanten über diese Möglichkeit auf. Aber auch, dass man diese Frage kaum seriös beantworten kann. Nur gut, dass es die Rechtsschutzversicherung gibt und diese ein privates Sachverständigengutachten im Vorfeld zu dieser Frage finanzieren könnte.
Richtig! Deswegen wundern wir uns auch über das Anschreiben der ÖRAG. Der Gedanke, einfach „nur“ den kleinen Schadensersatz zu bekommen, scheint etwas zu kurz gegriffen. Aus Erfahrung können wir sagen, dass ein Abgasskandal-Mandat auf den kleinen Schadensersatz viel mehr Zeit braucht, als ein „Reguläres“. Das liegt nicht zuletzt an dem Sachverständigengutachten, welches erst einmal den Differenzwert bestimmen muss.
Außergerichtlich ist dies die absolute Ausnahme. Der Hersteller hat schlichtweg hieran kein Interesse. Die Frage ist natürlich auch: Worauf soll man sich bitte vergleichen, wenn ohnehin nur der kleine Schadensersatz gefordert wird? Wenn der Hersteller diesen zahlt, gleicht dies einem Anerkenntnis. Sie können natürlich auch mit Ihren Vorstellungen nach unten gehen, verschenken dann aber bares Geld.
Natürlich behalten Sie bei diesem Klageantrag Ihr Auto. Das mag auch gewollt sein. Aber was ist, wenn dies nach dem Update nicht mehr so funktioniert, dass Sie dieses weiterfahren wollen oder es sich im Wiederverkaufswert durch den Abgasskandal stark verschlechtert? Bedenken Sie, der Klageantrag lautet auf Schadensersatz und NICHT auf Rückgabe. Zudem haben wir noch nie von einem Mandanten gehört „Oh toll, das Auto fährt nach dem Softwareupdate viel besser“. Sie können sich vorstellen, was wahrscheinlicher ist…
Ob Sie das Fahrzeug zurückgeben wollen oder sich diese Möglichkeit zumindest offenhalten wollen, entscheiden einzig und allein Sie – kein Anwalt und kein Rechtsschutzversicherer. Doch überlegen Sie sich diesen Schritt gut, er hat immer Konsequenzen. Genau hierfür gibt es aber seriöse Anwaltskanzleien, die ihre Mandanten berät und sie auf etwaige Schwierigkeiten hinweist.
Die Rechtsanwälte Gabler & Hendel vertreten nicht jedes Abgasmandat. Bei uns wird der Mandant individuell vom Anwalt beraten.
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