Reiserecht – die rechtswidrige Praxis der Amtsgerichte!
Erfasst der Rückerstattungsanspruch aus der Fluggastrechte-VO auch die Gebühren des Vermittlungsportals?
Eine beachtliche Anzahl der Reisenden bucht ihr Flugticket heutzutage nicht mehr direkt bei der Fluggesellschaft oder einem Reisebüro; bei der Suche nach Schnäppchen wird stattdessen auf eines der unzähligen Vermittlungsportale zurückgegriffen, die in Sekundenschnelle das günstigste Angebot für die Flugroute raussuchen: Opodo, Expedia, BERlogic, Cheaptickets, Check24, logitravel, bravofly und Flug.de gehören dabei zu den bekannteren Vertretern und es kommen regelmäßig neue dazu.
Sollte der gebuchte Flug annulliert werden, stehen den Fluggästen dabei dieselben Ansprüche zu, wie wenn sie den Flug direkt bei der Fluggesellschaft gebucht hätten. Die verbraucherfreundliche Fluggastrechte-VO (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) ermöglicht es dem Fluggast, seine Ticketkosten auf einfachem Wege geltend zu machen: Denn im Vergleich zu den Vorschriften des BGB kommt es auf ein Vertreten müssen der Pflichtverletzung durch die Fluggesellschaft – sozusagen ein Verschulden – nicht an. Ein weit verbreiteter Irrtum ist dabei, dass der Rückzahlungsanspruch gegen das Vermittlungsportal geltend zu machen ist: Dieses wird jedoch im Rahmen des Luftbeförderungsvertrages nicht Vertragspartner. Der Vertrag kommt nur zwischen dem Fluggast und der Airline zustande, Opodo etc. fungieren nur als Vermittler. Wer auf diesem Wege schon einmal ein Ticket erworben hat und einen Blick auf seine Rechnung wirft, wird dabei feststellen, dass dieser Service nicht umsonst war.
Dies lässt sich mit einem glasklaren „jein“ beantworten.
Die Rechtslage ist dabei eigentlich relativ eindeutig: Der EuGH hat in seinem Urteil vom 12.09.2018 (Az. C-601/17) genau diese Frage beantwortet. Zugrunde lagen Vermittlungsgebühren von Opodo. Verkürzt lässt sich das Urteil inhaltlich dergestalt zusammenfassen, dass der Rückerstattungsanspruch die Vermittlungsgebühren dann umfasst, wenn die Fluggesellschaft von der Vermittlertätigkeit beim Ticketerwerb wusste. Ob die Kenntnis vorliegt, ist Tatsachenfrage und von den Gerichten festzustellen. Allerdings legte der EuGH zugleich fest, dass diese Kenntnis fingiert wird, wenn die Vermittlungsgebühren in der Buchungsbestätigung ausdrücklich ausgewiesen werden.
Dies ist meistens der Fall.
Seit diesem Urteil steht damit fest, dass die Fluggesellschaften im Rahmen der Ticketrückerstattung auch die Vermittlungsgebühren zahlen müssen. Die Rechtsprechung reiht sich damit in eine Linie verbraucherfreundlicher Entscheidungen des EuGHs ein. Denn zu beachten ist, dass der Fluggast andernfalls dazu gezwungen wäre, nach einer Flugabsage sich einerseits gegen die Fluggesellschaft, andererseits an das Vermittlungsportal wenden zu müssen. Da es sich bei der Vermittlungsgebühr im Vergleich zum Restpreis um einen kleinen Betrag handelt, lohnt es sich oft nicht, gegen die Vermittler gerichtlich vorzugehen; die vorzuschießenden Gerichts- und Anwaltskosten übersteigen die Forderung um ein Vielfaches. Zudem würden die Gerichte – zu Zeiten von Corona ohnehin maßlos überlastet – sich hierdurch etwaigen weiteren Klagen um Kleinstforderungen gegenübersehen, da die Forderung bzgl. der Rückerstattung aufgespaltet wird. Das Urteil wirkt daher nicht nur fördernd für die Prozessökonomie aus, sondern entspricht auch dem Sinn und Zweck der Fluggastrechte-VO, die das Schutzniveau für den Fluggast erhöhen und die Geltendmachung seiner Rechte erleichtern soll.
Dennoch wenden etliche Richter an den Amtsgerichten – bei denen mit Abstand die meisten Flugreiserechts-Fälle landen – die EuGH-Rechtsprechung nicht an.
Diese halten die EuGH-Rechtsprechung schlicht für falsch – obwohl sie an die Auslegung des EuGHs in vergleichbaren Fällen gebunden sind. Als Argument wird hierbei beispielsweise angeführt, dass der Fluggast nicht schutzwürdig sei: Im Rahmen der Buchungsbestätigung wird die Vermittlungsgebühr explizit ausgewiesen, sodass es für den Fluggast erkennbar wäre, dass sie nicht zu den Kosten der Fluggesellschaft gehören würden. Hierdurch wird die Rechtsprechung des EuGHs jedoch gerade ins Gegenteil verkehrt.
Oftmals ist man gegen diese Sichtweise des Gerichts machtlos: Denn gegen diese Entscheidung kann nur im Rahmen der Berufung vorgegangen werden. Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. II ZPO jedoch nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat (vgl. § 511 Abs. IV ZPO). Wie dargelegt, handelt es sich bei Vermittlungsgebühren meist um Kleinbeträge, die weit abseits der 600 Euro-Grenze liegen. Es erübrigt sich, zu erwähnen, dass das Amtsgericht die Berufung im Urteil nicht zulassen wird. Damit steht der Fluggast am Ende mit einem materiell-rechtlich falschen Urteil in den Händen und kann nichts dagegen tun.
Das Ergebnis ist unbefriedigend und es bleibt nur zu hoffen, dass dieser Praxis irgendwann ein Riegel vorgeschoben wird. Bis dahin ist man darauf beschränkt, das Gericht rechtzeitig auf die EuGH-Rechtsprechung hinzuweisen, um solche Fehler von vornherein zu unterbinden. Mit guter Argumentation lassen sich einige Richter umstimmen. Hierfür benötigt man jedoch erfahrene Anwälte für Fluggastrechte.
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!