Manchmal geraten wir in Situationen, in denen wir uns oder andere schützen müssen, beispielsweise vor einem Angriff oder einer drohenden Gefahr. Doch wann ist es erlaubt, sich zu wehren? Was sagt das Gesetz dazu? Die Begriffe Notwehr und Notstand sind wichtige Begriffe im deutschen Recht, die erklären, wann wir uns verteidigen dürfen, ohne strafrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.
Was ist Notwehr?
Die Notwehr ist in § 32 StGB geregelt und normiert das Recht, sich gegen einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff zu verteidigen. Die Notwehr stellt dabei sicher, dass sich niemand wehrlos einem Angriff aussetzen muss. Liegen ihre Voraussetzungen vor, ist die Tat, die in Notwehr begangen wird, nicht rechtswidrig und man macht sich nicht strafbar.
Voraussetzungen der Notwehr
Damit eine Handlung als Notwehr gerechtfertigt ist, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Diese betreffen den Angriff, die Verteidigung und die Verhältnismäßigkeit der Handlung.
Der Angriff
Zunächst muss ein gegenwärtiger und rechtswidriger Angriff vorliegen. Unter einem Angriff versteht man dabei die unmittelbare Bedrohung oder Verletzung rechtlich geschützter Güter, wie beispielsweise die körperliche Unversehrtheit oder auch das Eigentum. Der Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch andauert. Schließlich muss der Angriff auch rechtswidrig sein. Das ist der Fall, wenn er objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung steht.
Die Verteidigungshandlung
Des Weiteren muss eine Verteidigungshandlung gegeben sein. Darunter versteht man entweder die rein defensive Abwehr des Angriffs oder die Abwehr in Form eines Gegenangriffs. Zu beachten ist dabei, dass diese Verteidigungshandlung objektiv erforderlich sein muss. Das bedeutet, dass sie zur Abwehr des Angriffs geeignet ist und das relativ mildeste Mittel darstellt.
Die Gebotenheit der Verteidigung
Schließlich muss die Verteidigung auch geboten sein. Das bedeutet, sie darf nicht ausnahmsweise rechtswidrig sein, obwohl sie erforderlich und geeignet ist. Ausnahmsweise rechtswidrig ist die Verteidigung beispielsweise bei Bagatellangriffen. Wenn der Angriff nur geringfügig ist, kann eine heftige Reaktion unverhältnismäßig sein. Ebenso verlangt die Rechtsordnung Zurückhaltung, wenn der Angreifer offensichtlich schuldlos handelt, etwa bei Kindern oder Geisteskranken. Auch in familiären oder engen persönlichen Beziehungen, wie zwischen Ehepartnern oder Eltern und Kindern, wird erwartet, dass der Angegriffene nach Möglichkeit deeskaliert oder mildere Mittel zur Abwehr wählt. Eine Verteidigung ist ebenfalls unzulässig, wenn der Angriff im Rahmen sozialadäquaten Verhaltens geschieht, etwa bei einem versehentlichen Anrempeln in der U-Bahn. Zudem kann eine Notwehrhandlung ungeboten sein, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen Angriff und Verteidigung besteht, beispielsweise wenn ein Ladendieb durch tödliche Gewalt gestoppt wird. Wer eine Notwehrlage absichtlich provoziert, um Gewalt ausüben zu können, handelt rechtsmissbräuchlich und verliert den Schutz der Notwehr. Schließlich sind Personen mit besonderer Verantwortung, wie Eltern oder Krankenhelfer, dazu angehalten, mildere Mittel anzuwenden, da sie eine Garantenstellung gegenüber dem Angreifer haben.
Was ist Notstand?
Der rechtfertigende Notstand ist in § 34 StGB geregelt. Er liegt vor, wenn jemand eine Gefahr für sich oder andere abwendet, indem er ein anderes Rechtsgut beeinträchtigt. Der rechtfertigende Notstand ermöglicht es somit, in bestimmten Ausnahmesituationen eine Rechtsgutverletzung zu rechtfertigen, wenn dadurch eine größere Gefahr abgewendet wird. Diese Rechtsfigur dient dazu, in Konfliktsituationen eine Abwägung zwischen zwei konkurrierenden Rechtsgütern vorzunehmen und die Rechtsordnung flexibel auf existenzielle Bedrohungen reagieren zu lassen.
Voraussetzungen des Notstands
Auch für das Vorliegen des rechtfertigenden Notstandes müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Diese umfassen die gegenwärtige Gefahr, die Notstandshandlung und den Abwendungswillen.
Gegenwärtige Gefahr
Zunächst muss eine gegenwärtige Gefahr vorliegen. Darunter versteht man einen Zustand, in dem aufgrund der Umstände eine erhebliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Rechtsgut beschädigt wird. Die Gefahr muss dafür unmittelbar drohen oder bereits eingetreten sein. Zukünftige, hypothetische Gefahren genügen nicht. Geschützt werden alle rechtlich anerkannten Interessen, wie Leben, Gesundheit, Eigentum oder Freiheit. Auch ideelle Werte, wie beispielsweise die Ehre, fallen darunter.
Notstandshandlung
Des Weiteren muss eine Notstandshandlung vorliegen. Diese Handlung muss erforderlich sein, um die Gefahr abzuwenden. Das ist dann der Fall, wenn es kein milderes Mittel gibt, um die Gefahr genauso effektiv zu beseitigen und die Handlung geeignet ist, um die Gefahr tatsächlich abzuwenden oder zu mindern.
Zudem erfolgt eine Interessenabwägung, bei der die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Dabei muss das geschützte Interesse das beeinträchtigte Interesse wesentlich überwiegen. Diese Abwägung erfolgt auf Basis objektiver Kriterien. Einerseits wird auf die Qualität der Rechtsgüter geachtet. Höherwertige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit überwiegen in der Regel gegenüber Sachgütern wie dem Eigentum. Andererseits muss auch das Ausmaß der Gefahr berücksichtigt werden. Die drohende Gefahr muss erheblich sein, während der verursachte Schaden möglichst gering bleibt. Schließlich muss die Tat ein angemessenes Mittel sein, um die Gefahr abzuwenden und darf demnach nicht zur Gefahr außer Verhältnis stehen.
Abwendungswille
Schließlich muss der Täter der Gefahr mit Abwendungswillen entgegentreten, also die Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens besitzen, die Gefahr vollständig abzuwenden oder zumindest abzuschwächen.
Fazit
Sowohl Notwehr als auch Notstand sind essenzielle Regelungen, die es ermöglichen, sich oder andere in Gefahrensituationen zu schützen. Während die Notwehr auf die Abwehr eines Angriffs abzielt, dient der Notstand dazu, Gefahren zu begegnen. Entscheidend ist in beiden Fällen, dass die Verteidigung verhältnismäßig und notwendig ist. Trotz ihrer Wichtigkeit sollten solche Maßnahmen immer die Ausnahme bleiben, da sie oft zu rechtlichen und moralischen Abwägungen führen. In Zweifelsfällen ist es deshalb ratsam, juristischen Beistand einzuholen, um die Grenzen und Möglichkeiten dieser Rechtsfigur besser zu verstehen.
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