Flugverspätung/-annullierung bei einer ausländischen Airline
Wir erklären Ihnen, wie Sie Ihren Anspruch auf Entschädigung wegen Flugverspätung/-annullierung gegen eine ausländische Airline wirksam durchsetzen!
Deutsche Flugreisende nutzen nicht nur die heimische Lufthansa oder Condor, sondern fliegen häufig auch mit ausländischen Airlines. Sofern es hierbei zu einer Flugverspätung oder Annullierung kommt, scheuen sich viele Reisende davor, die Ihnen zustehenden Ansprüche auf eine Entschädigung von 250 €, 400 € oder 600 € pro Person gegen eine ausländische Airline durchzusetzen. Zwar wenden sich Betroffene teilweise zumindest noch schriftlich oder per Mail an die Fluggesellschaft, doch werden Ansprüche von ausländischen Airlines häufig unbegründet (zuletzt wurde häufig der vermeintliche außergewöhnliche Umstand „Fluglotsenstreik im französischen Luftraum“ bemüht) zurückgewiesen oder es wird auf die Zahlungsaufforderung des Reisenden überhaupt nicht reagiert.
Spätestens hier stellt sich für viele Reisende die Frage, wie nun weiter vorgegangen werden soll. Denn der Anspruch auf Entschädigung bei einem um mehr als 3 Stunden verspäteten oder annullierten Flug nach der EU – Fluggastrechteverordnung besteht zwar zumeist in der Theorie – doch hilft dies alleine dem Passagier nicht, um von der Fluggesellschaft tatsächlich Geld zu erhalten. In der Regel bietet es sich spätestens an dieser Stelle an, mit der Durchsetzung des Anspruchs auf Entschädigung einen auf Flugverspätung spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen, welcher sodann nach einem anwaltlichen Aufforderungsschreiben gegebenenfalls Klage beim zuständigen Gericht einreicht. Da die Airline sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Verzug befindet, sind die entstehenden Anwaltskosten grundsätzlich von der Fluggesellschaft zu erstatten.
Bei der Erhebung einer Klage ist dabei zunächst das zuständige Gericht – in den allermeisten Fällen ein Amtsgericht, da der Streitwert unter der 5.000 Euro Grenze liegt – zu ermitteln.
Das zuständige Gericht ist entweder am Sitz der Fluggesellschaft (sog. allgemeiner Gerichtsstand) oder wahlweise auch das Gericht des Ankunfts- oder Abflugortes (sog. besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO). Da jedoch der Sitz einer ausländischen Fluggesellschaft logischerweise nicht in Deutschland, sondern im Ausland zu finden sein wird, und eine Klageerhebung dort zumeist aus wirtschaftlichen Gründen wenig sinnvoll sein dürfte, wählt der Reisende in der Regel daher das Amtsgericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der Ankunfts- oder Abflugflughafen liegt und verklagt bei diesem Gericht die ausländische Airline auf Zahlung der Entschädigung wegen Verspätung oder Annullierung.
Robert L. wohnt in München und hat einen Flug von Warschau nach München gebucht, welcher von der polnischen Airline LOT durchgeführt wird. Der Flug landet jedoch mit einer Verspätung von 5 Stunden in München. Ein außergewöhnlicher Umstand liegt nicht vor. Da die Flugentfernung weniger als 1.500 km beträgt, steht Robert L. ein Anspruch von 250,- € aufgrund der Verspätung zu. Robert L. wendet sich zunächst per Email an LOT. Dort reagiert man nicht auf seine Email. Robert L. wendet sich daher an einen auf Flugverspätung spezialisierten Rechtsanwalt. Dieser fordert die Fluggesellschaft unter Fristsetzung nochmals zur Zahlung von 250,- € Entschädigung wegen Flugverspätung auf Grundlage der EU – Fluggastrechteverordnung auf. Die Fluggesellschaft reagiert jedoch auch auf das Schreiben des Rechtsanwalts nicht. Robert L. und sein Rechtsanwalt beschließen daher, Klage gegen die Airline einzureichen. Der Anwalt des Robert L. kann nun am Gericht des Ankunftsflughafens, hier am Flughafen München und damit vor dem zuständigen Amtsgericht Erding, auf Zahlung von 250,- € gegen die LOT-Airline klagen. Das Amtsgericht Erding erlässt im Verfahren sodann ein Urteil, wonach die polnische Fluggesellschaft verpflichtet wird, auf Grund der Verspätung von mehr als 3 Stunden an den Passagier einen Betrag von 250 Euro zu zahlen. Ebenso wird die Airline verurteilt, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Passagiers sowie die durch das Klageverfahren entstandenen Gerichtskosten zu zahlen.
Sind Sie von einem vergleichbaren Fall betroffen und wollen gegen eine ausländische Airline Ihren Anspruch auf Entschädigung wegen Verspätung oder Annullierung Ihres Flugs realisieren? Dann wenden Sie sich bitte für weitere Details und Informationen an unseren Experten für Reiserecht Herrn Rechtsanwalt Gabler.
Kann vor einem deutschen Gericht gegen eine ausländische (europäische) Airline geklagt werden, so ist die Klage zunächst in deutscher Sprache einzureichen (Gerichtssprache ist Deutsch, § 184 GVG). Die meisten ausländischen Fluggesellschaften haben mittlerweile standardmäßig eine Rechtsanwaltskanzlei in Deutschland damit beauftragt, sämtliche Klageverfahren auf Entschädigung wegen Verspätung und Annullierung in Deutschland „abzuarbeiten“. Diese Rechtsanwaltskanzleien der Airlines sind oftmals bekannt und so kann in vielen Fällen direkt an diese Kanzlei die Klage auf Entschädigung zugestellt werden. In manchen Fällen muss jedoch auch eine Zustellung im Ausland bewirkt werden. Es kann sich dann jedoch das Problem ergeben, dass ein ausländisches Flugunternehmen die Annahme der Klagezustellung verweigert und sich darauf beruft, dass eine Übersetzung der Klage übermittelt wird. Gemäß § Art. 8 Abs. 1 EuZustVO kann ein Adressat die Annahme eines Schriftstückes verweigern, wenn das Schriftstück weder in der Amtssprache des Empfängerstaates noch in einer Sprache verfasst ist, die er versteht und keine Übersetzung beigefügt ist. Es kommt daher bisweilen vor, dass ausländische Airlines eine Klage nicht annehmen wollen. Es kommt sodann darauf an, ob die Annahmeverweigerung rechtmäßig war oder nicht. Hätte die Airline die Annahme der Klage nicht verweigern dürfen, so wird die Airline so behandelt, als wäre die Klage zugestellt worden. Es ergeht damit ein sog. Versäumnisurteil zu Gunsten des Reisenden, welches sodann vollstreckt werden kann.
Die große Streitfrage ist regelmäßig, ob die Annahme zu Recht oder zu Unrecht verweigert wurde. Dies hat das Gericht zu entscheiden.
Die Annahme kann gem. Art. 8 Abs. 1 EuZustVO vom Adressaten verweigert werden, wenn das Schriftstück weder in der Amtssprache des Empfängerstaates noch in einer Sprache verfasst ist, die er versteht und keine Übersetzung beigefügt ist. Es kommt also darauf an, ob die Airline „die deutsche Sprache versteht“. Dabei ist auf die tatsächlich im Unternehmen vorhandenen und verfügbaren Fähigkeiten abzustellen. Dem Empfänger einer Klage ist daher der Rückgriff auf alle internen möglichen Quellen zumutbar. Bei seiner Beurteilung dieser Frage kann das Gericht z.B. darauf abstellen, ob die Internetseite der Airline in deutscher Sprache angeboten wird, ob die Airline deutschsprachigen Support o.ä. anbietet. Dies sollte dem Gericht daher sicherheitshalber vom Reisenden dargelegt werden.
Kommt das Gericht dann zu der Ansicht, dass die ausländische Airline der deutschen Sprache mächtig ist, so erlässt das Gericht ein Versäumnisurteil zu Gunsten des Reisenden.
Robert L. hat vor dem AG Erding Klage gegen die LOT auf Zahlung von 250,- € eingereicht. Die LOT verweigert die Annahme der in deutscher Sprache verfassten Klageschrift. Da die LOT jedoch Flüge für den deutschsprachigen Raum anbietet, die Homepage sowie der online Buchungsvorgang der LOT in deutscher Sprache verfügbar ist und die LOT darüber hinaus einen 24-Stunden telefonischen Kundenservice anbietet, ist das Gericht der Auffassung, dass die LOT der deutschen Sprache mächtig ist und die Annahmeverweigerung zu Unrecht erfolgte. Das Gericht erlässt somit ein Versäumnisurteil gegen die LOT.
Vgl. Urteil des AG Erding v. 5.12.2013 – 4 C 1702/13.
Sollten Sie Fragen zu den Themen Reiserecht und Flugverspätung/Flugannullierung haben oder Hilfe bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche auf Entschädigung gegen eine Airline benötigen, so steht Ihnen hierzu unser Rechtsanwalt Michael Gabler gerne zur Verfügung!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Kann eine Klage gegen Tailwind Airlines (Sitz Istanbul, damit außerhalb der EU) bei Flug von Antalya nach München auch am Zielort, dh in München eingereicht werden?
Herzlichen Dank für die Info
Herzliche Grüße, Sabine Breitfeld