Entschädigung bei Verspätung/Annullierung durch Streik?
Oder handelt es sich dabei um einen außergewöhnlichen Umstand?
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Wir zeigen Ihnen, in welchen Fällen Sie bei einer Annullierung wegen Streik Chancen auf eine Entschädigung von 250 €, 400 € oder 600 € pro Person haben.
In Erwägungsgrund 14 zur europäischen Fluggastrechteverordnung wird u.a. der den Betrieb einer Airline beeinträchtigende Streik als außergewöhnlicher Umstand erwähnt. Airlines nutzen dies als Argument dafür, dass ein Streik generell und pauschal zu einem außergewöhnlichen Umstand führt.
Leider höchst unterschiedlich. Insofern sollten Passagiere ohne Rechtsschutzversicherung, welche ein prozessuales Kostenrisiko scheuen, den Weg über die Schlichtungsstelle oder ein Fluggastrechteportal gehen. Allerdings dürften die Chancen, dass ein Fluggastrechteportal den Fall übernimmt oder gar den Fall „abkauft“, aufgrund der noch nicht abschließend geklärten Rechtslage nicht sonderlich hoch sein. Wer dagegen eine Rechtsschutzversicherung hat, der sollte die Chance ergreifen, einen auf Fluggastrechte spezialisierten Rechtsanwalt beauftragen und notfalls vor Gericht ziehen!
Der BGH hat 2012 (X ZR 138/11) entschieden, dass bei einem Streik „außergewöhnliche Umstände“ iSd Art. 5 Abs. 3 vorliegen, wenn eine Gewerkschaft im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung die Piloten einer Airline zur Arbeitsniederlegung aufruft und die bestreikte Airline Flüge annulliert, um den Flugplan an die zu erwartenden Auswirkungen des Streikaufrufs anzupassen. Einer solcher (rechtmäßiger) Streik wirke – auch wenn er zu einem Ausstand des eigenen Personals führe – „von außen“ auf den Betrieb ein. Der BGH hatte den Fall damals allerdings nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es ist daher ungeklärt (und sehr zweifelhaft), ob der EuGH zum selben Ergebnis gekommen wäre.
2018 hat sodann der EuGH im Fall Krüsemann/TuiFly entschieden, dass die spontane Abwesenheit eines erheblichen Teils des Flugpersonals (sog. „wilder Streik“) nicht als außergewöhnlicher Umstand zu werten ist, wenn sie auf die überraschende Ankündigung von Umstrukturierungsplänen durch die Airline zurückgeht und einem Aufruf folgt, der nicht von den Arbeitnehmervertretern des Unternehmens verbreitet wird, sondern spontan von den Arbeitnehmern selbst, die sich krank melden. Maßgeblich ist somit aus Sicht des EuGH allein, dass der („wilde“) Streik ausgelöst wurde durch eine unternehmerische Entscheidung der Airline, die getroffene unternehmerische Entscheidung somit der Risikosphäre der Airline zuzuordnen ist.
Aufgrund der sich widersprechenden Urteile von BGH und EuGH entscheiden derzeit die Amtsgerichte und Landgerichte höchst unterschiedlich. Zugunsten der Passagiere haben zuletzt z.B. das Amtsgericht Frankfurt (Urteil vom 08.08.2019 – 32 C 2076/18 (86)) wie auch das Landgericht Hamburg (Urteil vom 21.5.2019 – 321 S 83/18) entschieden. So begründet das Amtsgericht Frankfurt seine Entscheidung wie folgt:
„Nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 17.04.2018, Az. C-195/17) stellt der Streik des eigenen Personals keinen außergewöhnlicher Umstand nach Art. 5 Abs. 3 EG VO 261/2004 dar, soweit dieser seine Ursache in unternehmerischen Entscheidungen der Fluggesellschaft findet. Dieses Urteil steht im klaren Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 21.08.2012, Az.: X ZR 138/11). Der EuGH stellt deutlich heraus, dass der Streik des eigenen Personals grundsätzlich nicht als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden kann. Der unter Erwägungsgrund 14 genannte Beispielsfall eines außergewöhnlichen Umstands bei einem Streik, kann damit nur noch den Streik bei Dritten außerhalb des Unternehmens wie z.B. Fluglotsen, Sicherheitspersonal betreffen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist nämlich nicht jedes unerwartete Ereignis zwangsläufig als „außergewöhnlicher Umstand“ einzustufen, sondern ein solches Ereignis kann Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sein. Außerdem ist der Begriff „außergewöhnliche Umstände“ i.S.v. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 angesichts des Ziels der Verordnung, das nach ihrem ersten Erwägungsgrund darin besteht, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, und der Tatsache, dass ihr Art. 5 Abs. 3 eine Ausnahme von dem Grundsatz vorsieht, wonach Fluggäste im Fall der Annullierung oder großen Verspätung eines Fluges Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, eng auszulegen.“
Der Rechtsprechung des EuGH folgend muss zwischen einem betriebsinternen Streik bei der Airline (dann kein außergewöhnlicher Umstand und damit Anspruch des Passagiers auf 250, 400 oder 600 € bei Annullierung) und betriebsfremden Streik z.B. Streik der Fluglotsen (damit außergewöhnlicher Umstand und kein Anspruch des Passagiers auf Entschädigung) unterschieden werden. Für den zum Jahreswechsel 2019/2020 stattfindenden Streik der Flugbegleiter bei der Lufthansa-Tochter Eurowings gilt damit: es handelt sich um einen internen Streik bei der Airline Eurowings, so dass die Passagiere von Eurowings eine Entschädigung bei Annullierung wegen Streiks erhalten.
Sollten Sie Fragen zu den Themen Fluggastrechte, Flugverspätung und Flugannullierung haben oder Hilfe bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche auf Entschädigung gegen eine Airline benötigen, so steht Ihnen hierzu Rechtsanwalt Michael Gabler gerne zur Verfügung! Rechtsanwalt Gabler ist auf Fluggastrechte spezialisiert und .
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