Beitragsbescheid wegen Straßensanierung
Zuerst klingt alles wunderbar: Die Straße vor ihrem Grundstück wird saniert. Sie kriegt eine moderne Asphaltdecke, eine Entwässerungseinrichtung und eine Straßenbeleuchtung.
Endlich keine Schlaglöcher und Pfützen mehr, Schluss mit Staub und Kiesabschwemmungen, und nie wieder Gestolper in der Dunkelheit!
Doch dann: Ein Beitragsbescheid in Ihrem Briefkasten! Sie werden dazu aufgefordert, sich kostenmäßig an den Sanierungsarbeiten zu beteiligen.
Den geöffneten Bescheid voller Zahlen in der Hand stehen Sie am Gartentor und denken wehmütig daran zurück, wie Sie einst an heißen Sommertagen den durch vorbeifahrende Autos aufgewirbelten Staub von der mintgrüngestreiften Markise über Ihrer Terrasse klopften. Beim Gedanken an die sich im Winter mit vom Streusalz milchigem Schmelzwasser füllenden Schlaglöcher werden Ihre Augen feucht. Plötzlich erscheint Ihnen die Straße in ihrem dereinst unsanierten Zustand in ganz anderem Licht. Die Nachbarskinder konnten auf ihr mangels nennenswertem Durchgangsverkehr ungestört spielen und mit Ihrem mit Breitreifen ausgerüsteten höhergelegten SUV war sie für Sie trotz Kiesabschwemmungen bei Starkregen stets gut befahrbar.
Sie wollen deshalb gegen den Bescheid vorgehen! Nur ganz vielleicht spielt es für Ihre Entscheidung auch eine Rolle, dass von Ihnen 20.000,- € – die Sie freilich bereits anderweitig verplant hatten – gefordert werden, während Herr Niedermeier von nebenan nur 10.000,- € bezahlen soll. Und das obwohl er regelmäßig erst weit nach Einbruch der Dunkelheit torkelnd aus dem Wirtshaus nach Hause in seinen, auf einem kleinen Eckgrundstück liegenden Bungalow kommt und dementsprechend von der Straßenbeleuchtung wesentlich mehr profitiert als Sie, der Sie sich meist schon um Punkt 20 Uhr in Ihr im 3. Obergeschoss Ihres Hauses befindliches Schlafzimmer zurückziehen – was also tun?
Gem. Art. 5a Abs. 1 BayKAG (i. V. m. der jeweiligen Erschließungsbeitragssatzung) erheben die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen sog. Erschließungsbeitrag. Dabei handelt es sich um eine Abgabe, die die Gemeinden zur Refinanzierung der Erschließungskosten erheben.
Wer beitragspflichtig ist – i.d.R. derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids Eigentümer des Grundstücks ist – ergibt sich aus Art. 5a Abs. 9 BayKAG i. V. m. § 134 BauGB.
Was Erschließungsanlagen sind, regelt Art. 5a Abs. 2 BayKAG. Hierzu zählen insbesondere die sog. Anbaustraßen, also solche Straßen, über die die anliegenden Grundstücke i. S. d. Bauplanungsrechts erschlossen werden.
Der Umfang des Erschließungsaufwands, der u. a. auch die Kosten für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen einschließlich der Einrichtungen für Ihre Entwässerung und ihre Beleuchtung umfasst, ergibt sich aus Art. 5a Abs. 9 BayKAG i. V. m. § 128 Abs. 1 BauGB.
Allerdings können nicht alle von der Gemeinde aufgewendeten Kosten auch auf die Beitragspflichtigen umgelegt werden. Begrenzungen für die Beitragsfähigkeit des Erschließungsaufwands ergeben sich aus Art. 5a Abs. 9 BayKAG i. V. m. § 129 BauGB, wonach die Gemeinde u. a. zwingend einen Eigenanteil von 10% zu tragen hat.
Der danach ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist gem. Art. 5a Abs. 9 BayKAG i. V. m. § 131 BauGB nach bestimmten (in der jeweiligen Erschließungsbeitragssatzung festgelegten) Verteilungsmaßstäben, zu denen u.a. auch das Maß der baulichen Nutzung (zulässige Zahl der Vollgeschosse usw.) sowie die Grundstücksfläche gehören können, auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Darauf, ob der Eigentümer des durch die Anlage erschlossenen Grundstücks die Herstellung subjektiv als Vorteil empfindet, kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr die objektive Möglichkeit, aus der jeweiligen Erschließungsanlage einen Vorteil in Bezug auf die Nutzbarkeit des Grundstücks zu ziehen. In unserem Beispielsfall kommt es also nicht darauf an, dass Sie etwa die Beleuchtung nicht als Vorteil empfinden. Entscheidend ist vielmehr, dass Sie potentiell die Möglichkeit haben, die Erschließungsanlage in Anspruch zu nehmen. Freilich nur höchst theoretisch hätten Sie nämlich die Möglichkeit, es Herrn Niedermeier einmal gleich zu tun und nächtens über die nun gut beleuchtete Straße zu Ihrem Grundstück zurück zu torkeln.
Gem. Art. 5a Abs. 9 BayKAG i. V. m. § 133 Abs. 2 BauGB entsteht die Beitragspflicht grds. mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, welche nach BVerwG dann vorliegt, wenn zum einen der Ausbauzustand den Herstellungsmerkmalen der gemeindlichen Erschließungsbeitragssatzung (in ihrer zum Herstellungszeitpunkt gültigen Fassung) entspricht und zum anderen der entstandene Aufwand feststellbar ist, was i. d. R. mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung der Fall ist.
Zur Zahlung fällig wird der (gesamte!) Beitrag dann grds. einen Monat nach Bekanntgabe des Beitragsbescheids, Art. 5a Abs. 9 BayKAG i. V. m. § 135 Abs. 1 BauGB.
Erschließungsbeiträge können grds. nur für die erstmalige endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage erhoben werden. Mit erstmaliger endgültiger Herstellung erlischt die Erschließungslast der Gemeinde und damit letztlich auch die Möglichkeit, den später nachfolgenden Aufwand über Erschließungsbeiträge auf die Grundstückseigentümer umzulegen. Es ist also insbesondere dann, wenn eine seit längerem in Gebrauch befindliche Straße saniert wird, stets genau zu untersuchen, ob die jeweilige Straße bereits erstmalig endgültig hergestellt wurde. Unter der Geltung des BBauG (ab 30.06.1961) bzw. BauGB (01.07.1987) bestimmt sich dies anhand der in der jeweiligen Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde festgelegten Herstellungsmerkmale. Für bereits vor dem 30.06.1961 angelegte Straßen gilt Art. 5a Abs. 7 S. 1 BayKAG, wonach für „vorhandene Erschließungsanlagen“ (sog. „historische Straßen“) kein Erschließungsbeitrag erhoben werden kann.
Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen scheidet ferner aus, wenn die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich BayKAG normierte Höchstfestsetzungsfrist abgelaufen ist. Sie beträgt 20 bzw. 25 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die „Vorteilslage“ eingetreten ist, was wiederum dann der Fall ist, wenn die Straße „betriebsfertig“ ist.
Darüber hinaus können sich u. U. auch Zusagen der Gemeinden dahingehend, ein Erschließungsbeitrag werde nicht anfallen, sowie sog. Anliegerbescheinigungen und sog. Straßensicherungsverträge auf die Beitragspflicht auswirken. In einigen wenigen Fällen kann auch das Rechtsinstitut der Verwirkung eine Rolle spielen.
Neu ist Art. 5a Abs. 7 S. 2 BayKAG, wonach die Erhebung von Erschließungsbeiträgen schließlich auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Beginn der erstmaligen technischen Herstellung (sog. „erster Spatenstich“) der Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre zurückliegt. Die Regelung tritt allerdings erst zum 01.04.2021 in Kraft, was der Grund dafür ist, dass gegenwärtig so manche Gemeinde (so z. B. namentlich die Stadt Landshut) versucht, drohende Beitragsausfälle noch durch schnellstmögliche erstmalige endgültige Herstellung der jeweiligen Anlagen abzuwenden. Der Dringlichkeitsantrag einer Landtagsfraktion, die Staatsregierung solle aufgefordert werden, darauf hinzuwirken, dass Art. 5a Abs. 7 S. 2 BayKAG bereits mit Wirkung zum 01.01.2018 in Kraft gesetzt werde, fand jüngst (23.01.2019) keine Mehrheit im Bayerischen Landtag.
Von den Erschließungsbeiträgen zu unterscheiden sind die sog. Straßenausbaubeiträge, mit denen Maßnahmen der Erneuerung und Verbesserung nach erstmaliger endgültiger Herstellung auf die Anlieger umgelegt werden konnten. Sie wurden am 26.06.2018 (rückwirkend) zum 01.01.2018 abgeschafft. Gem. Art. 19 Abs. 7 BayKAG sind deshalb Bescheide, mit denen ab dem 01.01.2018 Straßenausbaubeiträge (gilt auch für Vorauszahlungen!) festgesetzt wurden, aufzuheben. Die aufgrund solcher Bescheide vereinnahmten Beiträge müssen zurückbezahlt werden!
Sollten Sie Fragen zum Thema eines Beitragsbescheides zur Straßensanierung oder andere Fragen zum Thema Baurecht oder Verwaltungsrecht haben, so steht Ihnen unser auf Öffentliches Recht spezialisierter Rechtsanwalt Maximilian Kaltenegger gerne mit Rat und Tat zur Seite. Herr Rechtsanwalt Kaltenegger vertritt Sie bundesweit vor sämtlichen Verwaltungsgerichten, schwerpunktmäßig in den Städten Regensburg und Landshut.
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