Wenn der Richter befangen ist
Oder: wie man die Steilvorlage als Richter für einen Befangenheitsantrag liefert
Ein Befangenheitsantrag – gerade im Zivilrecht – sollte wohl überlegt sein. Insbesondere, da dieser nur äußerst selten begründet ist. Aber muss man sich daher vom Gericht alles gefallen lassen? Mit Sicherheit nicht! Insbesondere nicht, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO.
In einem von uns geführten Abgasskandal-Verfahren akzeptierte eine Richterin am LG Chemnitz nicht, dass unser Mandant der mündlichen Verhandlung fernblieb. Er ließ sich – rechtlich absolut zulässig – von mir mittels einer Vollmacht nach § 141 Abs. 3 ZPO vertreten. Noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung verstörte sie dies so sehr, dass Sie mir angekündigt hat, so lange Fragen zu stellen, bis ich nicht mehr weiterweiß und dann gegen unseren Mandanten ein Ordnungsgeld zu verhängen. Abgeschlossen hat sie diese Drohung mit den Worten „so bin ich eben“.
Schon nach diesen Worten habe ich den Befangenheitsantrag vorbereitet. Was darauf folgte, bestätigte nur die Vermutung, dass hier kein faires und fachkundiges Urteil mehr folgen wird. So stellte die Richterin auch gleich die erste Frage, um mich (vermeintlich) aufs Glatteis zu führen. So fragte sie, was das Auto tanken würde. Etwas verwundert habe ich darauf hingewiesen, dass wir uns im „Diesel-Abgasskandal“ befinden und das Auto ausweislich des Fahrzeugscheins auch Diesel tankt. Doch dies überzeugte die Richterin nicht, da sie sich sicher war, dass ein Subaru schließlich nur Benzin tanken würde. Widerwillig akzeptierte die Richterin dann jedoch die Antwort und klärte uns auf, dass es aber auf all dies gar nicht ankommt, da der Kläger schon gar nicht aktivlegitimiert sei. Dies bedeutet, dass der Kläger keine Ansprüche geltend machen kann. Begründet hat sie dies damit, dass der Kläger nicht Eigentümer sei und man auch den Fahrzeugbrief nicht vorgelegt habe (was zutrifft). Dabei hat die Richterin aber verkannt, dass es im Rahmen von § 826 BGB überhaupt nicht auf die Eigentümerstellung ankommt. Auch war ihr nicht bewusst, dass der Fahrzeugbrief den Eigentümer nicht ausweist. Ihr sei zugestanden, dass dies wohl noch mehr Menschen nicht wissen. Das weiß aber auch die Zulassungsstelle und erklärt auf jedem Fahrzeugbrief „Der Inhaber der Zulassungsbescheinigung wird nicht als Eigentümer des Fahrzeuges ausgewiesen“.
Dieses Trauerspiel konnte niemandem mehr zugemutet werden. Deshalb haben wir unseren Befangenheitsantrag unmittelbar gestellt und die Richterin zu einer dienstlichen Stellungnahme aufgefordert.
Nun sollte man meinen, dass das Gericht im Rahmen der dienstlichen Stellungnahme versucht die Wogen zu glätten – doch weit gefehlt! So führte die Richterin wie folgt aus:
„Der gesamte Vorgang ist lächerlich, die Begründung eines Befangenheitsantrages an den Haaren herbeigezogen. Die handschriftliche Begründung für den Befangenheitsantrag des Klägervertreters bezieht sich auf ein Gespräch vor Eröffnung der Hauptverhandlung.
Ich hatte gefragt, wo der Mandant sei. Herr Hendel hat geantwortet, der sei nicht da, er sei umfassend nach § 141 Abs. 3 ZPO bevollmächtigt.
Ich kann mich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, aber ich habe darauf hingewiesen, dass es bei Nichtkenntnis oder Unvermögen zur Beantwortung gerichtlicher Fragen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes kommen kann. Dies ist nachzulesen im Kommentar zur zivilen Prozessordnung bei Zöller zu § 141 Rdn. 12 und 19. Der weitere Fortgang der Verhandlung ergibt sich aus dem Protokoll vom 24.02.2021, Blatt 97 if der Akten.
Herr Hendel hat noch einen Schriftsatz vom 13.03.2021, Blatt 104 if der Akten eingereicht. Dort finden sich noch weitere Bemerkungen wie ”es verstörte die Vorsitzende sehr“ (Seite 1, Blatt 104 der Akten).
”Diese Antwort stellte die Vorsitzende jedoch nicht zufrieden“ (Seite 2 Blatt 105 der Akten). Dies akzeptierte sodann die Vorsitzende widerwillig (ebenda).
Ich werte diese Darstellungen als sehr subjektive Eindrücke die jeder ernsthaften Grundlage entbehren. Das Ganze ist lächerlich. Ich bin auch der Meinung, dass sich nur wenige Rechtsanwälte durch den Hinweis auf die Konsequenzen einer solchen Bevollmächtigung, nämlich die mögliche Verhängung eines Ordnungsgeldes, bedroht fühlen.
Natürlich habe ich nach Schluss der Sitzung Herrn Dr. H. gegenüber mein Bedauern ausgedrückt, dass es nach 3,5 Stunden Anreise für ihn zu keinerlei Sachaufklärung gekommen ist. Ich habe aber auch Herrn Hendel eine gute Heimfahrt gewünscht, weil er sehr aufgeregt gewesen ist.
Ich möchte noch anmerken, dass Herr Rechtsanwalt Hendel mündlich noch einige sehr hässliche Dinge zu mir gesagt hat, die ich an dieser Stelle nicht wiederholen möchte und die Herr Rechtsanwalt Hendel in seinen schriftlichen Äußerungen auch nicht aufgeführt hat. Meiner Meinung nach, hat Herr Hendel sich so verhalten, dass es eines Rechtsanwaltes unwürdig ist. Aber auch das wird ihm nichts nützen, die Klage steht auf tönernen Füßen. Zur Sachaufklärung hatte ich das persönliche Erscheinen des Klägers, der bestimmt nicht weiß, wie sich sein Rechtsvertreter aufführt, ja angeordnet.“
Ok, dann habe ich mich eines Rechtsanwaltes unwürdig verhalten. Aber muss man sich alles bieten lassen? Sicher nicht!
Dies bestätigte dann auch das LG Chemnitz, Aktenzeichen 6 Ri AR 2/21 mit folgender Begründung:
Die Ablehnung von Richterin am Landgericht P. durch den Kläger wird für begründet erklärt.
Gründe:
Das Gesuch ist gemäß § 43, 44 ZPO formgerecht angebracht.
Der Befangenheitsantrag ist auch begründet. Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen ( 42 Abs. 2 ZPO). Es kommt dabei nicht darauf an, ob das Misstrauen des jeweiligen Beteiligten tatsächlich gerechtfertigt ist. Entscheidend ist allein, dass aus seiner Sicht – hier aus Sicht des Klägers – ein sachlicher Anlass für ein Misstrauen gegenüber der abgelehnten Richterin besteht, ob also aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln ( st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. vom 17.12.2009, III ZB 55/09, zit. nach juris). Entsprechend ist nicht auf eine möglicherweise subjektive Sichtweise des Beteiligten abzustellen, sondern auf die Perspektive des Ablehnenden „bei vernünftiger Betrachtung“ (vgl. Zöller Vollkommer-, ZPO, 32. Auflage, § 42, Rdnr. 9 m.w.N.).
Zwar kann nach allgemeiner Auffassung die Richterablehnung grundsätzlich nicht auf eine falsche Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Ob eine richterliche Entscheidung inhaltlich „falsch“ war, ist für das Ablehnungsverfahren vom Grundsatz her ohne Belang (vgl. allgemein etwa BayObLGZ 86, 253; 87,217). Denn die Befangenheitsablehnung stellt kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle dar. im Ablehnungsverfahren geht es allein um die mögliche Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen. Daher kann ein Befangenheitsgesuch nur dann auf eine fehlerhafte rechtliche Handhabung gestützt werden, wenn Gründe dargelegt werden, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf der Voreingenommenheit des Richters gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht (vgl. etwa Zöller / Vollkommer ZPO, 32. Aufl., § 42, Rdnr.28 m.w.N.).
Befangenheit eines Richters bei Verfahrensverstößen kann daher ausnahmsweise dann angenommen werden, wenn die Gestaltung des Verfahrens und die Entscheidung des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Grundsätzen entfernt, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch zumindest sachfremden Einstellung des Richters erweckt.
Die abgelehnte Richterin hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme nicht explizit in Abrede gestellt, dass sie auf die Vorlage der Vollmacht nach § 141 III ZPO hin angekündigt habe, dem Klägervertreter dann so lange Fragen zu stellen, bis dieser nicht mehr weiter wisse, und nach Androhung eines Ordnungsgeldes mit den Worten geschlossen habe „so bin ich eben“.
Bei der gebotenen vernünftigen Betrachtung sind die Bedenken der Klägerseite hier nicht von der Hand zu weisen.
Tatsächlich vermag jedenfalls die Formulierung in der dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin, der gesamte Vorgang sei „lächerlich“ und Herr Rechtsanwalt Hendel habe sich so verhalten, „dass es eines Rechtsanwaltes unwürdig „sei, aber „auch das“ werde „ihm nichts nützen“, die Klage stehe „auf tönernen Füßen“ in der Gesamtschau die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, da hierdurch auch bei sachlicher Betrachtung die Befürchtung entsteht, dass die Einzeirichterin den Rechtsstreit nicht mehr objektiv und unparteiisch führen und entscheiden könnte.
Auch die dienstliche Stellungnahme begründet daher hier die Besorgnis der Befangenheit.
Unser Mandant hat eine neue, unparteiische Richterin bekommen und nun beste Chancen auf einen fairen Gerichtsprozess!
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