Was ist ein außergewöhnlicher Umstand?
Maßnahmen/Restriktionen der Flugsicherung, Neuzuteilung von Slots und Co – beliebte Ausreden der Airline. Aber ist das ein außergewöhnlicher Umstand?
Kommt es bei einem Flug zu einer Ankunftsverspätung von mehr als 3 Stunden, so steht dem Passagier gegen die durchführende Airline eine pauschale Ausgleichszahlung von 250,- €, 400,- € oder 600,- € zu. Macht ein Passagier bei einer Airline seinen Anspruch auf Entschädigung geltend, so erhält er oftmals von der Airline eine Ablehnung, bei welcher sich die Airline auf „außergewöhnliche Umstände“ beruft. Beliebte Begründungen der Airlines für außergewöhnliche Umstände sind neben „Wetterbedingungen“ auch, dass ein Flug wegen „Maßnahmen der Flugbehörden“ oder „Restriktionen der Flugsicherung/Flugsicherheitsbehörden“ nicht rechtzeitig durchgeführt werden konnte. Oftmals wird von der Airline in diesem Zusammenhang auch mitgeteilt, dass die Maßnahmen/Restriktionen zu einer „Neuzuteilung von Slots“ für den Start geführt haben, die Airline hierauf jedoch keinen Einfluss habe, weshalb es sich um einen „außergewöhnlichen Umstand“ handele.
Derartige „Ausreden“ sind vermutlich auch deshalb bei den Airlines so beliebt, da der Passagier die Angaben der Airline nicht nachprüfen kann, da der Passagier schlichtweg keinen Einblick in die relevanten Flugunterlagen erhält. Zum anderen kann es sich bei den genannten „Ausreden“ tatsächlich um außergewöhnliche Umstände handeln. Dies ist jedoch keinesfalls zwingend. Tatsächlich ist in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob tatsächlich ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt.
Eine Airline kann sich nur dann auf außergewöhnliche Umstände berufen, wenn es behauptet und nachweist, dass die Verspätung auf einem Ereignis beruht, das (1. Voraussetzung) nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der betreffenden Airline und (2. Voraussetzung) nicht von der Airline beherrschbar ist und (3. Voraussetzung) die Verspätung nicht durch zumutbare Maßnahmen seitens der Airline vermieden werden konnte.
Scheitert die Airline mit einem der drei Nachweise, liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor und dem Passagier steht die Ausgleichszahlung zu.
Leider nehmen viele Amtsgerichte in der ersten Instanz bei Begründungen der Airlines („Restriktionen/ Maßnahmen der Flugsicherung, geänderte Slotvergabe“) tatsächlich vorschnell einen außergewöhnlichem Umstand an. Die Gerichte urteilen dann häufig, dass eine Airline an die ihr zugeteilten Zeiten/Slot gebunden wäre und eine Änderung durch die Flughafenbehörden ein von außen wirkendes Ereignis darstelle, auf das die Airline keinen Einfluss habe. Dies ist zwar an sich richtig, doch führt dies allein noch nicht zum Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes.
Denn es ist für einen außergewöhnlichen Umstand nicht ausreichend, dass gewisse Umstände nicht von der Airline beherrschbar sind. Diese Umstände müssen auch „außergewöhnlich“ sein.
Für die gerichtliche Prüfung bedeutet dies, dass die Ursache bzw. der Grund für die Maßnahme der Flugbehörden oder für die neue Slot-Zuteilung von der Airline darzulegen und zu beweisen ist. Denn die Durchführung von Flügen ist typischerweise Gegenstand weitgehender Regulierungen, welchen sich die Airline unterordnen muss. Insbesondere Start und Landung sind von einer Genehmigung abhängig. Bei der Durchführung eines Fluges und der Benutzung eines Flughafens können Fluggesellschaften Adressat zahlreicher und unterschiedlichster Anweisungen sein. Es ist davon auszugehen, dass ein Luftfahrtunternehmen dabei Anweisungen erhält, die sie im Einzelfall nicht beeinflussen kann. Es ist aber kaum festzustellen, dass dies völlig außerhalb der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens liegt. Dass eine Abfluggenehmigung oder ein Slot zugeteilt wird, der außerhalb der im Flugplan vorgesehenen Zeiten liegt, erscheint daher nicht ohne Weiteres außergewöhnlich (vgl. AG Erding, Vorlagebeschluss vom 27.09.2018 – 5 C 2980/17).
Dies bedeutet, dass eine Airline sich nicht durch die Behauptung einer nicht beeinflussbaren „Slot-Änderung“ auf einen außergewöhnlichem Umstand berufen kann. Entscheidend sind die Gründe für die neue Slot-Zuteilung. Ist dieser Grund „außergewöhnlich“ oder ist der Grund lediglich „Bestandteil des Erwartbaren im allgemeinen Flugbetrieb“? Sofern die Airline nicht die genauen Umstände für einen „außergewöhnlichen“ Grund darlegt, steht dem Passagier der Anspruch zu. Gleiches wie für die „Slot-Änderung“ gilt auch für „Maßnahmen der Flugbehörden“ oder „Restriktionen der Flughafenbehörden“ oder ähnlich nebulöse Begründungen.
Sofern Sie Fragen zu Flugverspätung oder Annullierung haben, kontaktieren Sie unseren Experten für Fluggastrechte, Herrn Rechtsanwalt Michael Gabler.
Den Beschluss des AG Erding v. 27.09.2018 zu 5 C 2980/17 habe ich mit Interesse und aus gegebenem Anlass gelesen. Angeblich soll der EuGH hierüber (noch) nicht entschieden haben, weil Rücknahme erklärt wurde. Hat es hierzu irgendwelche Anmerkungen bzw. Hinweise des Gerichts gegeben? Im internet habe ich nichts dazu gefunden. Können Sie mich diesbezüglich aufklären? Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Schröder,
leider liegen uns auch keine weiteren Hinweise vor. Der Beschluss https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-38974?hl=true ist Ihnen sicherlich bekannt.
Beste kollegiale Grüße
Stephan Hendel
Hello, is it correct that the airline does not have to give compensation due to delay because Airspace regulatory institution changed the slot of the flight?
Because postponing it to a later time were related to decisions made by airspace regulatory institutions… which is supposed to be extraordinary circumstances?