Erschütterung des Beweiswerts von AU-Bescheinigungen:
Krankheit während der Kündigungsfrist reicht in vielen Fällen noch nicht aus!
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind die Grundlage für den Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers während einer Krankheit. Allerdings gibt es Situationen, in denen der Arbeitgeber den Beweiswert solcher Bescheinigungen in Frage stellen kann.
Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.3.2023 – 2 Sa 156/22, verdeutlicht die Problematik, die entstehen kann, wenn der Arbeitgeber den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern möchte. Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer selbst fristgerecht gekündigt. Er arbeitete sodann zunächst noch wenige Tage und war sodann für die restliche Zeit des Arbeitsverhältnisses – immerhin knapp 4 Wochen – arbeitsunfähig erkrankt. Bereits am ersten Tag nach dem Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit trat der Arbeitnehmer eine neue Stelle an. Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Entgeltfortzahlung für den Zeitraum, für welchen der Arbeitnehmer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht hatte. Er argumentierte, dass ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestünden und somit der Beweiswert der Bescheinigungen erschüttert sei. Insbesondere der zeitliche Ablauf deute darauf hin, dass der Arbeitnehmer von Anfang an nicht mehr auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wollte.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) sah dies allerdings anders und bestätigte schließlich den Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung und erklärte, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht erschüttert sei. Es wurde festgestellt, dass der Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung noch für einige Tage Arbeitsleistungen erbracht hatte und die vorgelegten Bescheinigungen zudem unterschiedliche Diagnosen aufwiesen. Diese Umstände ließen ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nicht zu.
Der Arbeitgeber kann den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich dadurch erschüttern, dass er objektiv greifbare, belastbare Tatsachen darlegt und im Bestreitensfall beweist, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung tragen können. Lediglich objektiv mehrdeutige, plausibel erklärbare Sachverhalte sind grundsätzlich nicht geeignet, ernsthafte Zweifel zu begründen. Im konkreten Fall konnte der Arbeitgeber dagegen keine hinreichenden belastbaren Fakten vorlegen, die die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Arbeitnehmers in Frage stellten.
Rechtsanwalt Gabler, Fachanwalt für Arbeitsrecht, weist darauf hin, dass die Passgenauigkeit von einer bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und verbleibender Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Rolle spielen kann, um den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern. Allerdings ist eine taggenaue Passgenauigkeit erforderlich. Der hohe Beweiswert der Bescheinigung bleibt dagegen zunächst bestehen, wenn der Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung für kurze Zeit noch Arbeitsleistungen erbringt und die Bescheinigung nicht die gesamte Dauer der Kündigungsfrist seit Ausspruch der Kündigung abdeckt. In diesem Fall bedarf es weiterer objektiv greifbarer und belastbarer Tatsachen, um den Beweiswert zu erschüttern.
In solch komplexen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten ist es sinnvoll, sich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen. Vertrauen Sie auf die Expertise von Rechtsanwalt Gabler, Fachanwalt für Arbeitsrecht, um Ihre Rechte im Arbeitsverhältnis effektiv zu schützen.
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