Was genau sind Anwaltspflichten?
Eine Rechtsprechungsübersicht des BGH – Teil 1
Ein Rechtsanwalt hat viele Pflichten – somit kann er auch viele verletzen. Im nachfolgenden Artikel möchten wir Ihnen einen groben Überblick geben, was hierzu alles gehört.
Wann beginnt sie?
Der Anwalt kann seine Vergütung nur aus und wegen seiner anwaltlichen Tätigkeit verlangen. Dies gilt aber auch für seine Haftung. Am 02.04.2020 hat der BGH mit seinem Urteil, Aktenzeichen IX ZR 135/19 klargestellt, dass die anwaltliche Tätigkeit weit auszulegen ist. Sie beginnt also nicht erst, wenn ein Mandatsvertrag unterschrieben wurde. Vielmehr ist eine Gesamtschau aller Umstände geboten. Es ist daher möglich, dass ein Rechtsanwalt schon bei einem einzelnen Telefonat für hohe Summen haften muss. Und dies auch ohne dem Abschluss eines (expliziten/schriftlichen) Mandatsvertrages.
Der BGH nutzt hier seine eigene Definition:
„Umfang und Inhalt der vertraglichen Pflichten eines Rechtsanwalts richten sich nach dem jeweiligen Mandat und den Umständen des einzelnen Falls. In den Grenzen des ihm erteilten Auftrags ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele führen, und den Eintritt von Nachteilen oder Schäden zu verhindern, die voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er ihn auch über mögliche Risiken aufzuklären (…).“
Aber was genau bedeutet dies? Wir müssen hierfür zwischen dem unbeschränkten Mandat und dem beschränkten Mandat unterscheiden.
Ein „unbeschränktes Mandat“ kommt in der Praxis nahezu nie vor. Hierfür wäre erforderlich, dass ein Mandant zu einem Rechtsanwalt geht und ihn (überspitzt formuliert) beauftragt, sein ganzes Leben zu überprüfen und zu regeln.
Dies ist die klassische Form eines Mandatsvertrages. Der Mandant kommt zum Rechtsanwalt und bittet ihn, einen bestimmten Lebenssachverhalt zu prüfen. Hierbei folgert der BGH aus der vermuteten Willensrichtung des Mandanten den Umfang des Mandats. Geht bspw. ein Mandant zu einem Anwalt und bittet diesen, ihn über eine geplante Scheidungsfolgenvereinbarung zu beraten, so darf der Mandant keine Beratung auf steuerrechtlichem Gebiet voraussetzen – hierfür hätte er zu einem Steuerberater gehen müssen (vgl. BGH Urteil v. 18.10.19, Az.: V ZR 286/18). Dass eine solche Aussage aber nicht pauschal getroffen werden kann, zeigt die Formulierung des BGH „(…) Umstände des Einzelfalls (…)“
Ob überhaupt ein Schadensersatzanspruch bestehen kann, hängt somit vom Umfang des Mandats ab. Erst wenn der Umfang des Mandats hiervon gedeckt ist, kann überhaupt an die Höhe des Schadens gedacht werden.
Fortsetzung folgt
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